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Seyd
willkommen hier auf den Seiten der Lichterzieher
"Maulaffen und Armleuchter, Tranfunzeln
und Fettnäpfchen"
...
waren auch schon im Mittelalter gang und gäbe.
Doch
auf diesen Seiten wollen wir Euch von dem Besonderen berichten.
Si giengen ûf ein palas
hundert crône da gehangen was,
vil kerzen drûf gestoßen,
obe den hûsgenôzen,
cleine kerzen umbe an der want.
hundert betten er ligen vant
daz schuofen die es dâ pflâgen
hundert kulter drûffe lâgen. |
Sie gingen in den Palast hinein.
Hundert Kronleuchter hingen dort,
viele Kerzen aufgesteckt
über den Hausgenossen,
kleine Kerzen ringsum an der Wand
Hundert Betten fand er da liegen die schufen, die dort bedienten;
hundert Decken lagen drauf. |
(Ritterepos „Parzival“, Wolfram von Eschenbach, um MCLXX 1170 bis
MCCXX 1220)
Bei "Parzival" als auch in anderen Dichtungen werden Kerzen ausdrücklich als Teil der Pracht
der mittelalterlichen Oberklasse hervorgehoben.
Einige Fakten und Zahlen
In der Zeit des Mittelalters waren Bienenwachskerzen etwas ganz Besonderes und vor allem auch etwas außerordentlich Teures.
Der Preis für Wachs betrug etwa das 10 fache von Fleisch.
Lediglich Fürstenhäuser sprich, der Hochadel , die Kirche und Klöster konnten sich solch eine Beleuchtung leisten. Sie waren sehr geschätzt,
da sie ohne lästigen Qualm und mit angenehmem Geruch verbrannten.
Belegt ist, dass bei großen und außergewöhnlichen Festen bei Hofe bis zu 7000 Kerzen brannten.
Nach Unterlagen erwarb das Kloster Corbie in Frankreich im Jahre 1036 auf den Märkten von Cambray ganze 6 Zentner Wachs.
Für die an kirchliche Einrichtungen abzuführenden Naturalabgaben (Zensuale) stand dem Wachszins eine bedeutende Rolle zu.
An das Kloster Corvey beispielsweise mussten 20 Bauern jährlich je 33,5 kg Bienenwachs abliefern.
Zum Ende des 15. Jahrhunderts war der Verbrauch der Schlosskirche zu Wittenberg bei über 35 750 Pfund Bienenwachs,
demgegenüber standen jedoch auch ca. 900 Messen die jährlich gelesen wurden.
So sicherten sich die Kirche, Zünfte und Innungen ihren Wachsbedarf.
Auch die Zünfte trugen einen Teil der hohen Lasten von Wachs. So ist aus dem Ort Greifenstein in Österreich bekannt,
dass jemand der an einem Samstag nach dem Mittagsläuten im Weinberg arbeitete, der Kirche 1 Pfund Wachs abgeben mußte.
Ein Auszug aus der Handwerksordnung der Leipziger Schneider aus dem Jahr 1386:
Auch soll kein Schneider und Schneidergeselle an Feiertagen oder in Feiernächten arbeiten. Wer das tut, der soll,
wenn er ein Schneidermeister ist, 1 Pfund Wachs für Kerzen geben. Ist er ein Schneidergeselle, so soll er dafür 1/2 Pfund Wachs geben.
Aus der Geschichte der Bäckerinnung.
Eine Gesellenprüfung im heutigen Sinn gab es nicht. Damals galten zwei Jahre Lehrzeit.
Dafür musste der Lehrling dem Meister sieben Taler und der Innung eine Tonne Bier und zwei Pfund Kerzenwachs zahlen.
Wenn der Lehrling nach diesen zwei Jahren Geselle geworden war,
konnte er sich von der Innung einen Lehrbrief gegen die Gebühr von einem schweren Gulden besiegeln lassen.
Vom 11. bis zum 15. Jh. entsprach der Wert von 2 Bienenvölker dem Wert einer Kuh.
Nach zeitgenössischen Quellen stellten in der Mitte des 17. Jahrhunderts 3 1/2 Pfund Honig einen Wert von 1 Spanferkeln dar.
Auf Diebstahl von Wachs, Honig und Bienen standen hohe Strafen (Salisches Gesetz von 510).
Die leges barbarorum (Volksrechte) stellten die Aneignung fremder Hausbienen unter hohe Strafe.
Zusätzlich zur Erstattung eines mehrfachen des Schadenswertes wurden Leibesstrafen (z.B. Auspeitschen) verhängt.
Vom Hochmittelalter an wurde der Diebstahl von Bienenstöcken mit der Todesstrafe belegt - meist durch Erhängen, auch Ausdärmen wird genannt.
Der überwiegende Teil der Bevölkerung bediente sich als Lichtquelle jedoch der Feuerstelle am häuslichen Herd, dem Kienspan
(der entweder in der Hand getragen oder mit den Zähnen gehalten wurde, Befestigungen für einen Kienspan an der Wand, hatten die Bezeichnung "Maulaffen")
sowie Talglichter und Talgkerzen, sogenannte Unschlittkerzen.
Da die Herstellung von Talg durch das Auslassen von Rinder- oder Hammelinnereien erfolgt, der beste Talg wird von den Nieren gewonnen, rochen
diese aber ranzig, qualmten und rußten stark. Desweiteren standen diese Materialien auch in Nahrungkonkurenz und waren
besonders zu den nicht seltenen Zeiten von Mißernten und Hungersnöten wohl kaum für Leuchtmittel zu entbehren.
Öle spielten in unseren Breiten aus o.g. Gründen bei der breiten Bevölkerung ebenfalls keine Rolle (im Gegensatz zu den Mittelmeerländern),
zumal es bei uns nur wenige Ölfüchte gab und die Herstellung ebenfalls sehr teuer und aufwendig war.
Mit Bienenwachskerzen waren bereits im
Hochmittelalter mehrere Berufe / Tätigkeiten verbunden.
Der Zeidler:
Zeideleinnehmer
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Die Zeidlerei (auch Zedlerei) war im Mittelalter das gewerbsmäßige Sammeln von Honig
und Wachs wilder oder halbwilder Bienenvölker, das
vom Zeidler ausgeübt wurde.
Der Zeidler hatte das Recht Waffen zu tragen.
Bereits vor etwa 7.000 Jahren begann die gezielte Haltung von Bienen in Zentralanatolien.
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Der Lebzelter:
Lebküchler Lebküchner
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Lebzelter beschäftigten sich mit dem Handel und der Verarbeitung von
Wachs und Honig. Der Lebzelter stellte neben Kerzen auch Lebkuchen her,
vermarkte seine Produkte und hatte oftmals auch das Recht Met zu sieden.
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Der
Lichterzieher:
Kerzengießer,
Lichtzieher,
Kerzenzieher, Lichtermacher, Kerzenmacher, Wachszieher, oder
Wachszelter
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Wachskerzen
wurden im Frühmittelalter meist in Klosterwerkstätten von Mönchen
hergestell. Später haben auch Küster Kerzen aus Bienenwachs angefertigt.
Seit
dem 12. Jahrhundert übernahmen Wachzelter (bürgerlicher Handwerker)
diese Arbeit.
Seit 1061 ist aus Frankreich eine Innung der Lichtzieher bekannt,
Preiswerte
Kerzen aus Talg für normale Haushalte wurden vom Metzger und Seifensieder
hergestellt
(s.o.).
Die Ausbildung der
Wachszelter dauerte 3 – 4 Jahre und war mit hohem Lehrgeld verbunden.
Danach folgte eine Wanderzeit von 2 - 3 Jahren. Erst dann konnte der Geselle
die Meisterprüfung ablegen.
Bereits im Mittelalter
wurden Kerzen auch von Frauen in Lohnarbeit gefertigt.
Wachs
und Honig als Rohstoff des Wachszelters und Lebzelters wurde in der Zeidlerei
(Waldbienenzucht s.o.) vom
Zeideleinnehmer
eingesammlet
Im Spätmittelalter war Honig aus
einheimischer Produktion des Imkers als auch durch Importe auf bekannten Warenwegen der Hanse ausreichend vorhanden.
Der bereits im Mittelalter recht hohe Wachsbedarf konnte nur durch zusätzliche Importe aus Polen, Rußland und dem Baltikum gedeckt werden.
Insbesondere im Baltikum sorgte der Deutschritterorden (Ordo Teutonicus Abk. OT) für den Aufbau sogenannter Beutner-Dörfer,
große Mengen wurden auch aus den waldreichen östlichen Ländern, u.a. aus Böhmen, Mähren, und Ungarn, eingeführt.
Kaufleute der Hanse brachten Bienenwachs von den Hansestädten Nowgorod und Königsberg (Ostpreußen) nach Brügge,
von wo aus es nach Paris und London weiterverkauft wurde.
Der Import allein nach London soll Ende des 15. Jh. jährlich etwa 100 Tonnen betragen haben.
Modelle für aus Wachs gegossene Motive, z. Bsp. Wappen oder
Jagtszenen, wurden vom Formschneider hergestellt. Eine ruhige Hand und ausgeprägtes Talent
erforderte das freihändige Modelieren von lebensechten Portaits.
Auch bei der Siegelherstellung
fand Wachs Verwendung, zur besseren Härtung des Siegellackes wurden Kreide, Ton, Harz oder Terpentinöl
beigemengt.
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